Folge 2: Covid-19-Forschung am Robert Koch-Institut, Telefoninterview mit Dr. Annelene Wengler

Demografie und Gesellschaft im Fokus Folge 2: Covid-19-Forschung am Robert Koch-Institut, Interview mit Dr. Annelene Wengler

Wir begrüßen Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, zur Podcastreihe der Deutschen Gesellschaft für Demographie. In der heutigen Folge sprechen wir mit Frau Dr. Annelene Wengler. Sie ist in der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring in der Gesundheitsberichterstattung am Robert Koch-Institut tätig. Außerdem ist sie seit 2019 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Demographie. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Todesursachenforschung, der Analyse von Routinedaten und der Gesundheit im Kontext der Migration.
Viel Spaß beim Zuhören!

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Hallo Frau Dr. Wengler,
schön, dass Sie sich Zeit nehmen für unsere Podcast-Reihe und uns über Ihre Forschung berichten möchten. Wollen wir vielleicht gleich damit starten, dass Sie uns einen Überblick geben, über welche Forschung wir reden wollen?

Ich arbeite bei uns am RKI, also am Robert Koch-Institut, im Projekt
Burden 2020 – die Krankheitslast in Deutschland und seinen Regionen1. Manche von Ihnen haben vielleicht schon mal von Burden of Disease gehört oder von Krankheitslastrechnungen, aber ich würde kurz nochmal skizzieren, was wir da machen. Also, grundsätzlich zielen Krankheitslastrechnungen darauf ab, die Auswirkungen von Morbidität und Mortalität auf die Bevölkerung zu messen. Das wird getan, indem die verloren Lebensjahre aufgrund von Erkrankung oder auch von frühzeitigem Tod gemessen werden. Im Bereich der Mortalität wird zum Beispiel für jeden Todesfall ermittelt, wie hoch die weitere Lebenserwartung gewesen wäre und als Summe werden die sogenannten Years of Life Lost (YLL) über Bevölkerungsgruppen hinweg gebildet. Gleichermaßen wird für Erkrankungen geschaut, wie viele Lebensjahre verloren gehen, wenn Menschen an einer bestimmten Erkrankung erkranken. Beide Sachen zusammen werden in einem Summenmaß, in dem Disability-adjusted Life Years (DALY), kombiniert. Ein großer Vorteil dieser Betrachtung ist, dass man eben nicht nur die reinen Fallzahlen betrachtet, sondern auch das Lebensalter oder die Schwere der Erkrankungen berücksichtigt. Grundsätzlich gibt es für unsere Studie auch ein Vorbild, nämlich die Global Burden of Diseases-Studie2, die am Institut for Health Metrics and Evaluation in Seattle durchgeführt wird. Wir passen jetzt aber unsere Analysen auf die deutsche Bevölkerung an und nehmen auch unterschiedliche und differenzierte Datenquellen und wollen vor allen Dingen auch regionalisierte Analysen bereitstellen. Im Rahmen dieses Projektes, machen wir auch Analysen von Covid-19 und gucken uns die Auswirkungen von Covid-19 auf die Bevölkerung an. Dabei berechnen wir in ersten explorativen Analysen die verlorene Lebenszeit aufgrund von Erkrankungen und aufgrund von frühzeitigem Tod.

Und wie Sie schon sagten, Sie am RKI forschen natürlich und welche weiteren Forscher sind daran noch beteiligt?

Also in unserem Projekt arbeiten wir ungefähr zu sechst hier am RKI. Wir sind aber in dem Projekt Burden of Disease und Burden 2020 zusammen mit dem Umweltbundesamt und mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK, dem WIdO3, weil wir eben auch Krankenkassendaten verwenden, zum Beispiel.

Das bringt mich ja zu meiner nächsten Frage, wo Sie die Daten herbekommen. Sie sagten ja auch, dass ein Augenmerk Ihrer Forschung darauf liegt, das auch regionalspezifisch zu untersuchen. Wo bekommen Sie da die Daten her?

Also für unser übergeordnetes Projekt, in dem wir ja nicht nur Covid-19, sondern ganz viele verschiedene Erkrankungen und auch ganz umfassend die Todesursachen betrachten, nutzen wir ganz unterschiedliche Daten; die Krankenkassendaten, aber eben auch offizielle Statistiken, wie die Todesursachenstatistik. Wir ziehen auch unsere eigenen Surveys mit zu Rate und sind da sehr breit aufgestellt, was die Datenquellen angeht. Für unsere Analysen im Bereich von Covid-19 nutzen wir aber explizit die Meldedaten, die bei uns im Haus ja gebündelt und zusammengeführt werden.

 Auf die heutzutage, oder in letzter Zeit, sehr viele Leute Zugriff haben, oder zugreifen über Ihre Internetseite und sich die auch täglich vor Augen führen.

Genau. Wir haben zu jedem Covid-19-Fall auch verhältnismäßig differenzierte Daten, also wir wissen Alter und Geschlecht. Wir können es auch regional verorten, weil es über die Gesundheitsämter gemeldet wird und wir haben natürlich noch verschiedene andere Angaben zur Schwere der Erkrankung und auch zum Verlauf. Dementsprechend ist das auch ein sehr umfassender Datensatz mit sehr vielen Informationen.

 Und mit welchen Methoden gehen Sie da ran? Sicherlich haben die Daten, besonders die Todesmeldedaten, ja auch ihre Herausforderungen.

Genau, wir berechnen die verlorene Lebenszeit, zum einen aufgrund von Erkrankungen und aufgrund von Tod. Das machen wir grundsätzlich separat. Das machen wir auch in unserem Projekt Burden 2020 separat, weil die Methoden sehr unterschiedlich sind in beiden Bereichen. Für Todesfälle nehmen wir, verhältnismäßig einfach, den Sterbefall, haben ein Alter zum diesem Sterbefall und wissen dann, wie viel Restlebenszeit wir noch erwartet hätten. Da kann man sicher unterschiedliche Annahmen treffen, aber verhältnismäßig ist das eine relativ einfache Rechnung. Bei den Erkrankungen und den da berechneten Years Lost due to Disability (YLD) ist es ein bisschen komplexer, weil wir da nicht nur angucken, ob eine Person erkrankt ist, oder in welchem Alter, sondern auch, „Wie schwer war die Erkrankung?“. Da spielen dann Sachen mit hinein wie „Gab es einen Krankenhausaufenthalt?“, „Musste die Person beatmet werden?“ und das ist dementsprechend deutlich komplexer. Diese beiden Sachen führen wir dann nochmal zusammen.

Und zu welchen Ergebnissen kommen Sie da bisher bei Ihren Studien? Können Sie uns einen Überblick geben? Sicherlich, es läuft ja auch noch, aber das wir mal schauen, in welche Richtung es geht. Das ist ja super spannend!

In ersten Analysen zeigt sich, dass es durchaus Unterschiede gibt zwischen Mortalität und Morbidität. Wir sind in Deutschland grundsätzlich in der glücklichen Situation, dass wir eine relativ geringe Sterblichkeit haben. Wir haben im Moment 9.000 Sterbefälle in Deutschland. Das sind auf 200.000 Erkrankte oder gemeldete Fälle eben dann doch zum Glück gar nicht so viele. Wir sehen aber, dass sich Erkrankungen deutlich im mittleren Alter häufen, während Sterbefälle besonders stark im hohen Alter auftreten. Wenn man sich das jetzt absolut anguckt, ohne sich die Bevölkerungsstruktur dahinter anzuschauen, dann sieht man, dass es bei den Erkrankungen Häufungen im Alter zwischen 50 und 60 gibt, bei den Todesfällen eher so zwischen 70 und 90. Wenn man das jetzt aber mit der zugrunde liegenden Bevölkerung in Relation setzt, was man aus demographischer Perspektive natürlich immer machen sollte, und die verlorene Lebenszeit je 100.000 Personen in der Altersgruppe berechnet, dann sieht man ein anderes Bild. Da sieht man nämlich sowohl bei den Erkrankten, als auch bei den Gestorbenen besonders viel Lebenszeit ab dem Alter 90, die eben bei Älteren dann verloren geht.

Da muss ich jetzt nochmal zwischen fragen: bezieht sich das auf die Erkrankung mit Corona oder erstmal Allgemein?

Jetzt hab ich erst einmal von Covid-19 Fällen gesprochen, nicht von unserer grundsätzlichen Analyse. Also das machen wir allerdings auch, wir setzen unsere Fälle auch in Relation zu anderen Erkrankungen. Also insbesondere bei der Sterblichkeit kann man das sehr schön machen, weil wir die Sterblichkeit auch umfassend für alle Todesursachen berechnen und für die komplette Todesursachenstatistik. Deswegen können wir ganz gut sehen, in welchem Zeitraum sich die Covid-Sterblichkeit ähnlich verhalten hat, wie bei anderen Erkrankungen, oder wo besonders viele Lebensjahre verloren gingen. Wir erinnern uns ja alle an diesen Piek Ende März/Anfang April und auch noch den ganzen April durch und dann ging es Anfang Mai so langsam wieder runter. Da sind leider auch sehr viele Leute verstorben und die haben dann natürlich auch dazu beigetragen, dass da sehr viel Lebenszeit verloren ging.

Und wie gehen Sie in Ihrer Arbeit damit um, mit dem durchaus öffentlichen Diskurs, dass Verstorbene, die an Covid-19 verstorben gemeldet werden, möglicherweise nicht direkt aufgrund der Krankheit verstorben sind, sondern aufgrund einer Vorerkrankung?

Das ist natürlich dem Sterbegeschehen allgemeinen inhärent. Wir haben das nicht nur bei Covid-19, sondern bei vielen anderen Todesursachen auch, dass insbesondere ältere Menschen selten an nur einer Sache sterben und dass da zum Beispiel eine klare Zuordnung möglich ist. Wir haben das ganz oft, dass multimorbide Menschen in sehr hohem Alter natürlich versterben und wir nicht mehr hundertprozentig zuordnen können, dass die eine Krankheit nun stärker war, als die andere. Was wir hier im Projekt im Allgemeinen machen, und das gilt nun nicht nur für Covid-19 sondern auch für alle anderen Erkrankungen, dass wir jeden Menschen in unseren Berechnungen die gleiche Lebenserwartung zugestehen. Das heißt, wir machen keine Differenzierung, ob der Mensch Vorerkrankungen hatte oder nicht. Zu einem gewissen Grad können wir das ja sogar in den Meldedaten abbilden, aber auch aus ethischen Überlegungen haben wir uns dagegen entschieden. Wir haben das lange diskutiert, aber grundsätzlich ist es ganz schwer zu sagen, wann hätte jetzt auch eine Begleiterkrankung oder eine andere Erkrankung zum Tod geführt, das kann man am Ende gar nicht mehr so genau sagen. Wie soll man das auch auseinander rechnen? Dementsprechend ist es auch sehr schwer, das zu quantifizieren. Rein methodisch, aber auch inhaltlich, ist es schwierig zu sagen, „Jemandem, der jetzt zwei Erkrankungen hatte, gestehe ich sozusagen weniger Restlebenserwartung zu als jemand anderem.“. Aber da gibt es grundsätzlich im ganzen Bereich der Burden of Disease-Berechnungen auch international und auch europaweit Diskussionen, wie man das berechnen sollte. Aber wir haben uns dagegen entschieden, das heißt wir gehen da für alle Sterbefälle in dem gleichen Alter auch von der gleichen Restlebenserwartung aus.

Ich hab auch gerade Ihre Forschung hier vorliegen. Ist natürlich schwer in einem Podcast, aber ich finde diese geclusterten Übersichten immer so faszinierend, die Sie da machen, oder die mit zu Ihrer Forschung veröffentlich werden. Gehört das direkt zu Ihrem Projekt dazu?

Genau, in unserem Projekt beschäftigen wir uns mit der Mortalität, also der Sterblichkeit für Deutschland voll umfassend, das heißt, wir gucken uns die gesamte Sterblichkeit an. Von auch ganz kleinen Erkrankungen, bis sehr großen und wollen für diese Erkrankungen sowohl die Fallzahlen, als auch die Berechnungen publizieren. Da sind wir auch kurz vor der Fertigstellung. Das wir bis Ende des Jahres vermutlich publiziert werden. Bei den Erkrankungen haben wir eine Auswahl getroffen, die uns im Moment auch in der ersten Projektlaufzeit auf 18 Erkrankungen beschränkt. Grundsätzlich ist es unser Ziel, bei den besonders großen und wichtigen umfassend für Deutschland darzustellen: „Woran sterben Leute?“, „Woran erkranken Menschen?“ und „Wieviel Lebenszeit geht verloren?“. Ich glaube, das Schöne bei der Betrachtung der Lebenszeit und nicht so sehr den Fallzahlen ist, dass  sich manchmal eben doch, dass sich manchmal die Dinge umkehren. Wir haben Erkrankungen, die sehr spät im Leben auftreten und auch sehr spät im Leben zum Tod führen und dementsprechend gar nicht so viel Lebenszeit kosten. Wir haben auch Erkrankungen, die recht früh im Leben auftreten und dementsprechend natürlich eine ganz andere Auswirkung haben, weil Menschen sehr früh sterben. Insbesondere dieses Zusammenbringen ist, glaube ich, ein großer Vorteil unseres Projektes. Das hat glaube ich in dem Umfang für Deutschland bisher keiner gemacht. Am Ende kommen wir auf ganz viele verschiedene Daten, wo wir uns auch genau überlegen müssen, wie wir sie am besten und schön darstellen. Eine Kachelgrafik wäre eine Sache, die man damit gut machen kann, zum Beispiel, genau.

Und welche Krankheit trägt dann die meiste Last bisher in Ihren Forschungen?

Also insgesamt haben wir natürlich die Klassiker, die wir jetzt auch erwarten würden. Im Bereich der Herzerkrankungen geht natürlich sehr viel Lebenszeit verloren. Krebserkrankungen, das variiert zwischen Männern und Frauen, weil nun Brustkrebs bei Männern keine große Rolle spielt. Alzheimer und Demenzen spielen natürlich auch, und vor allem in den höheren Altersgruppen, eine große Rolle,  da es eine sehr prominente Erkrankung ist. Aber ich glaube, es gewinnt nochmal an Gewicht, wenn man sich auch anguckt, was es an Lebenszeit bedeutet sozusagen. Das kann dann natürlich auch gut ein Indikator dafür sein: „Wo sind Präventionspotentiale?“, „Wo müsste man was tun?“ und „Welche Sachen muss man vielleicht auch noch stärker bekämpfen?“ oder „Wo muss man noch stärker aktiv werden?“.  Was vielleicht auch noch ein großer Vorteil unseres Projektes ist, ist dass wir das regionalisiert machen und nicht nur auf Bundesländerebene, sondern noch eines tiefer, auf Eben der Raumordnungsregionen. Das sind in Deutschland 96 Stück. Für Kreise reichen die Daten leider manchmal nicht aus, das heißt, so weit können wir nicht gehen, aber auch auf den Raumordnungsregionen kann man schon sehr schön spezifisch Unterschiede sehen. Das ist natürlich auch das, was wir jetzt bei dem Covid-19 Geschehen sehen. Wie zu erwarten; in den Orten an den Bereichen, wo es die Hotspots gab, dass da auch deutlich mehr Fälle sind und schnell Lebenszeit verloren ging. Aber ich glaube gerade die Regionalisierung ist ein riesen Vorteil von unserem Projekt.

Ja auf alle Fälle. Was ist der besondere Beitrag der Demografie für Ihre Forschung?

In unserem Projekt kommen für mein Gefühl unterschiedliche demografische und epidemiologische Methoden zusammen. Insbesondere im Bereich der Mortalitätsanalysen machen wir natürlich ganz klassische demografische Sachen. Wir berechnen die Lebenserwartung, die Sterblichkeitsraten und wenden natürlich auch Methoden der Standardisierung an. Eben nach Alter, oder auch, um die Regionen miteinander vergleichen zu können. Das finde ich, sind ganz klassische demografische Methoden.

 Und noch im Nachhinein von Ihrem Projekt… das wird quasi Ende des Jahres abgeschlossen, sagten Sie?

Grundsätzlich läuft unser Projekt bis März 2021 und wir werden bis dahin unterschiedliche Sachen publizieren. Wir sind jetzt mit der Sterblichkeit ein bisschen früher dran, als mit den Erkrankungen und werden da bis Ende des Jahres vermutlich, wenn alles gut läuft, unsere Ergebnisse veröffentlichen. Das heißt, wir teilen die ganze Todesursachenstatistik in gewisser Weise nach Todesursachengruppen. Das heißt, wir fassen Erkrankungen oder IECD-Codes zusammen und bilden Gruppen von Erkrankungen beziehungsweise Todesursachen und berechnen für eben diese Todesursachen, nach Alter und Geschlecht verlorene Lebenszeit. Das machen wir in unterschiedlicher Detailtiefe und das kann man dann auch hoffentlich in unserer Darstellungsweise am Ende unterschiedlich auswählen. Das heißt, wir versuchen diese Daten auch allen zugänglich zu machen, über eine Website und dann sollte möglich sein, zusätzlich zu gucken: „Ok, die Krebserkrankung xy, wie verteilt die sich in Deutschland und wie ist die in einer bestimmten Altersgruppe in der Raumordnungsregion und in der anderen, oder eben auf Bundeslandebene?“. Damit werden wir jetzt ein bisschen früher dran sein mit diesen Mortalitätsanalysen und dann mit diesen Erkrankungsanalysen bis März 2021 und werden dazu dann auch verschiedene Papiere veröffentlichen. Da sind wir jetzt sozusagen gerade in der finalen Phase. Das ist auch ganz spannend.

Das heißt, Ihre Ergebnisse sollen einsehbar sein über die Internetseite, wie Sie gesagt haben und was wäre dann im nächsten Schritt? Welchen Beitrag könnte Ihre Forschung noch weiterführend haben?

Ganz grundsätzlich ist unser Projekt am RKI eingebettet in ein Fachgebiet zur Gesundheitsberichterstattung. Das heißt, was uns natürlich grundsätzlich im Fachgebiet beschäftigt, ist über die Gesundheit der Bevölkerung zu berichten und Daten dazu zu sammeln und bereit zu stellen. Grundsätzlich kann man natürlich bestimmte Erkrankungen oder auch Todesursachen nur bekämpfen, wenn man weiß, wie sie überhaupt in Deutschland verteilt sind und welche Altersgruppen, welche regionalen Gruppen hier relevant sind. Dementsprechend hoffen wir natürlich, dass wir da einen Beitrag leisten können auf einer grundsätzlichen Ebene der Prävention und der Krankheitsbekämpfung. Eben diese ganzen Daten bereitzustellen, die dann hoffentlich genutzt werden können, um bestimmte Krankheiten zu bekämpfen und sich bestimmten Themen stärker zu widmen. Nur, wenn ich weiß, wie die gesundheitliche Lage ist, kann ich auch was dafür tun.

Ja super spannend. Und wenn Sie dann dieses spezielle Projekt abgeschlossen haben. Können Sie uns da schon mal einen Einblick geben, wird es noch Projekte in diese Richtung geben?

Ja da haben wir natürlich immer die Hoffnung. Manchmal kommen dann ja auch Sachen überraschend, wie die Covid-19-Geschichte, wo vor einem Jahr natürlich auch noch keiner dran gedacht hätte und plötzlich wird das auch ein ganz zentraler Teil der eigenen Arbeit. Man weiß dann manchmal nicht, wie sich das alles weiterentwickelt. Wir haben natürlich aus dem Projekt heraus auch die Hoffnung, dass es verlängert oder auch bestätigt wird, weil es noch sehr viele Aspekte gibt, die man betrachten kann. Also zum einen werden natürlich auch die Todesursachenstatistiken jedes Jahr aktualisiert und es gibt immer neue Daten. Zum anderen haben wir auch erstmal nur eine Auswahl an Erkrankungen betrachtet und können hier noch sehr viel mehr betrachten. Vor allen Dingen ist ja auch wichtig, dass alles zusammen zu bringen und vielleicht auch noch stärker in Richtung einer Datengrundlage, die auch dann für Entscheider vor Ort relevant ist zu wirken und das alles so einzubetten. Also auch im Bereich der Visualisierung; wie stellt man die Ergebnisse dar? Da ist noch sehr viel Potential, was man alles noch im Rahmen des Projektes machen könnte. Das wird spannend und hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, wie das dann so weiter geht.

Da wollen wir mal die Daumen drücken.

Ja genau und eines wollte ich noch ergänzend sagen; was natürlich sehr grundlegend im Bereich der Covid-19 Erkrankung ganz spannend sein wird und wo es in zwei, drei Jahren erst Daten geben wird, ist natürlich auch wie sich das andere Krankheitsgeschehen und wie sich auch das andere Sterbegeschehen verändert hat. Wir wissen ja jetzt schon, dass es aufgrund der eingeschränkten Mobilität vermutlich weniger Straßenverkehrsunfälle gab und dementsprechend auch weniger Sterblichkeit in diesem Bereich. Wir haben alle auch gehört, dass es möglicherweise weniger Menschen gab, die aufgrund von Schlaganfall oder Herzinfarkt im Krankenhaus gelandet sind. Das könnte natürlich sein, dass das die Sterblichkeit erhöht hat, weil Leute zu spät gegangen sind. Könnte aber auch sein, dass Leute aus unterschiedlichen Gründen eine geringere Sterblichkeit in einigen Bereichen hatten und eine geringere Erkrankung. Ich glaube, das alles dann zusammen zu puzzeln und sich an zu gucken, wie sich diese eine Erkrankung auf viele andere Sachen ausgewirkt hat, das wird noch ein sehr spannender Bereich werden in den nächsten Jahren.

Gehören dazu auch Folgeerkrankungen? Wenn man gerade in einem hohen Alter jetzt an Personen denkt, die eine Covid-19 Erkrankung überlebt haben, dass das sicherlich auch diese Schwächung des Körpers oder Gesundheitszustandes sich vielleicht auch noch weiter auswirken könnte. Gehört das auch dazu?

Das auf jeden Fall auch. Da stehen wir ja alle ganz am Anfang, weil wir auch gar nicht wissen, das wird ja auch diskutiert, ob das Auswirkungen auf das Gehirn hat, auf das Herz oder so weiter. Ich glaube das wird auch sehr spannend sein, inwiefern wir da Sachen bobachten können und sich auch langfristig sich Zusammenhänge ergeben. Das ist auch im Moment ein bisschen schwierig bei dieser Berechnung der verlorenen Lebenszeit aufgrund von Covid-19, weil wir natürlich nicht explizit wissen, „Was bedeutet das alles?“, „Was sind die langfristigen Auswirkungen?“, „Wie viel Zeit geht den Menschen wirklich verloren?“. Das sind vielleicht nicht nur die 14 Tage, wo er Atembeschwerden hatte, sondern es ist möglicherweise etwas, was sich über Jahre zieht und das wird auf jeden Fall ein spannender Bereich werden.

Und genau deswegen wäre die langfristige Sicht und die Weiterführung solcher Art von Projekten super wichtig.

Ganz genau.

Ok. Das finde ich doch ein schönes Schlusswort, auch wenn es jetzt von mir kam, aber ich hab das einfach nur mal zusammengefasst. Dann möchte ich mich auch bedanken für Ihre Zeit und den spannenden Einblick in die Arbeit am Robert Koch-Institut und explizit bei Ihrer Forschung. Ich wünsche Ihnen noch einen wunderschönen Tag.

Vielen Dank, Ihnen auch.

 

Die thematisierten Forschungen von Dr. Annelene Wengler:

Rommel, A., von der Lippe, E., Plaß, D. et al. BURDEN 2020—Burden of disease in Germany at the national and regional level. Bundesgesundheitsbl 61, 1159–1166 (2018). doi.org/10.1007/s00103-018-2793-0

Wengler, A., Rommel, A., Plaß, D. et al. ICD-Codierung von Todesursachen: Herausforderungen bei der Berechnung der Krankheitslast in Deutschland. Bundesgesundheitsbl 62, 1485–1492 (2019). doi.org/10.1007/s00103-019-03054-1

Weitere Informationen:

1 Informationen des Robert Koch-Institutes zur Studie Burden 2020: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Krankheitslast/burden_node.html

2 Informationen zur Studie Global Burden of Diseases:  http://www.healthdata.org/gbd

3 Das Wissenschaftliche Institut der AOK: https://www.wido.de/

 

Intro & Outro: Anna-Victoria Holtz
Interviewende: Sina Jankowiak